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Geschichte
2019

"Scheißjob" - "Graus des Meeres"

In einer großen Tageszeitung war vor einigen Tagen zu lesen: „Sie machen einen Scheißjob“ Zitiert wurde Lawrence Weiner. Bereits vor einigen Tagen erschien in einem kleineren Format die Headline „Graus des Meeres“

Viele verdienstvolle Menschen haben am Projekt HAUS DES MEERES im Laufe von 60 Jahren mitgearbeitet und einem davor leerstehenden und unzugänglichen ehemaligen Flakturm eine sinnvolle Nachkriegsnutzung gegeben – im erfrischenden Gegensatz zu den anderen dem Verfall preisgegebenen Türmen. „Zerbröselt in Stückchen, bei Tag und bei Nacht“.

1958 wurde hier die erste dauerhafte Meerwasserausstellung Österreichs eröffnet – mit 40 kleinen Aquarien. Ein engagiertes Team hat gemeinsam mit mir den Turm in einen inzwischen weltweit vernetzten Zoo der Kategorie A verwandelt – fünffach zertifiziert. Seit 2003 ist der Denkmalschutz aufgehoben und seit 2015 sind wir die Eigentümer des Bauwerks. Im Vorjahr besuchten uns 640.000 Gäste und garantierten damit den Verbleib in der Hitliste der Sehenswürdigkeiten Wiens – als private, gemeinnützige Institution ohne jegliche Subventionen.

Derzeit haben unsere Führungskräfte und ich für das bisher anspruchsvollste Ausbauprojekt unserer Geschichte erneut große Verantwortung übernommen und da ist es erstaunlich, welchen Fokus manche Medien in den letzten Tagen gesetzt haben. Im Vordergrund stand das nach 28 Jahren entfernte „Konzeptkunstwerk“ von Lawrence Wiener und nicht die Leistungen des HDM Teams.

Ich war nie glücklich darüber, dass über unserem Namen „Zerschmettert in Stücke…“ stand und verständlicher Weise führte dieser Schriftzug auch zu Irritationen jener Gäste, die ihn bewusst wahrgenommen haben. Es waren allerdings nicht allzu viele!

Das Werk wurde seinerzeit gemeinsam mit zwei anderen für die Dauer der Wiener Festwochen 1991 ausgesucht und sollte danach übermalt werden. Schon damals gab es einen Entwurf für unseren Namenszug, aber für die Umsetzung fehlte uns das Geld. Wir bauten lieber neue Aquarien und „eroberten“ Stockwerk für Stockwerk.

Meines Wissens wurde seinerzeit der Text aus 10 Vorschlägen ausgewählt und hatte ursprünglich keinerlei Bezug zum Flakturm. Durch die Übersetzung wurde dann aus der „Stille“ der „Frieden“ der Nacht und daraufhin wurde er systematisch zum Antikriegsspruch umgedeutet.

Ursprung des Textes soll übrigens der Klang fallender, leerer Flaschen „Jameson“ Whisky während der Nachtstunden gewesen sein - “Smashed to pieces – in the still of the night”. Der Künstler erwähnte in einem Interview ergänzend, dass sein Werk auch niemals einen Zusammenhang mit der „Reichskristallnacht“ beabsichtigte.

Als unser Zubau immer näher gerückt war, informierten wir den Künstler und seinen Galeristen davon, dass die Vorderseits den Intentionen der betreffenden Magistratsabteilung entsprechend überbaut werden soll um die seit 2009 projektierten Außenlifte in den Bau einzubeziehen. Seine Reaktion darauf war, dass dieses Gesamtkunstwerk nur auf allen 4 Seiten akzeptiert wird und daher die 3 anderen Seiten übermalt werden müssen. Wir suchten daraufhin in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien Alternativen zwecks Übertragung auf einen der weiteren 5 Flaktürme und waren auch bereit, einen finanziellen Beitrag zu leisten, aber diese Pläne wurden nicht realisiert.

Vor drei Wochen kamen wir nun dem Wunsch des Künstlers nach, übermalten – nachdem das Gedenkjahr vorüber war - sein Werk und setzten unseren Namen auf den Turm.  Auf einer Seite mit der Ergänzung des Namens unseres Turm Museums – ERINNERN IM INNERN – zwischen Gedankenstrichen!

Schon 2006 starteten wir unter diesen Titel im Haus ein Projekt um an die dunkle Vergangenheit des Turms zu erinnern und 2009 wurde im ehemaligen Kommandoraum das Museum eröffnet. „ERINNERN IM INNERN“ war nach meiner Intention der Hinweis, dass im Gebäude der Ursprung des Bauwerkes nicht verschwiegen, sondern entsprechend dargestellt wird. Gleichzeitig war „ERINNERN IM INNERN“ als Einladung gedacht, sich mit diesem Kapitel der heute unvorstellbaren Vergangenheit gedanklich auseinanderzusetzen – in allgemein verständlicher Formulierung.

Dass unser wunderbares HDM Team keinen „Scheißjob“ gemacht hat, sondern seit mehr als 6 Jahrzehnten beachtliche Leistungen - seit 10 Jahren ohne Steuergeld - vollbracht hat, erfüllt mich ungeachtet dieser „Störungen“ mit viel Freude.

Dass einige kunstaffine Redakteure und andere Personen aus dem Umfeld von Lawrence Weiner gerade jetzt, wo er eine neue Ausstellung in Wien eröffnet, wieder eine große Medienbühne geben wollten, ist verständlich. Ohne dabei eine verdienstvolle Wiener Institution ins schiefe Licht zu stellen wäre wohl anständiger gewesen.

Weiners "neues" Kunstwerk JUST IN TIME ist im Übrigen ein Slogan der Logistikbranche - seit rund 30 Jahren... 

Franz Six

Hier verschwand das Kunstwerk an der Vorderseite
Hier verschwand das Kunstwerk an der Vorderseite
Noch unter den Baufolien versteckt - eine Schmalse
Noch unter den Baufolien versteckt - eine Schmalseite
Die Rückseite samt neuer Beschriftung
Die Rückseite samt neuer Beschriftung
Nach 28 Jahren als "Turm Geschichte" ebenfalls dok
Nach 28 Jahren als "Turm Geschichte" ebenfalls dokumentiert - "Erinnern im Innern".